Klaus vom Bruch

Auch mir noch ein Rätsel

10.11.2022 – 17.12.2022

„Sometimes an Aspargus Is Just an Aspargus“ und manchmal ist ein „perfekt positioniertes Kaffeeböhnchen“ der Ursprung der Welt, nicht wahr?
 Weshalb findet sich die Darstellung des Kaffeeböhnchens auf Klaus vom Bruchs Arbeit aus dem Jahr 2022 in so perfekter Positionierung?
 Sehen wir genauer hin. In blassen Strukturen erkennen wir auf der vermeintlich frei gelassenen Bildfläche auf der Arbeit von vom Bruch das Gemälde von Gustave Courbet „L’Origine du monde“ wieder. Auch wenn der Blick zunächst ein wenig suchen und der Verstand etwas graben muss, um diese subtilen Bildstrukturen zu sehen und auch zu identifizieren, so entfaltet die Referenz zu Courbets damals so skandalträchtigem Bild des weiblichen Geschlechts ihre Kraft dann abrupt und unabkömmlich. Von nun an sieht man es, also denken wir darüber nach.
 Courbets Naturalismus beim „Ursprung der Welt“ wirkt in zweierlei Hinsicht: Als malerische Darstellung und auch als kühne Behauptung, der Ursprung der Welt liege im gebärfähigen weiblichen Geschlecht, der Vagina. Die Aussage ist radikal, sie entkleidet sowohl Frau als auch Schöpfung vom Divinen – ähnlich wie bei Albrecht Dürers Selbstportrait.
Bei vom Bruchs Arbeit, eine Kaffeebohne auf die perfekte Position von Courbets Vagina zu setzen, erscheint es naheliegend, dass vom Bruch Ironie zum Ausdruck bringt oder eine Art Verharmlosung der inszenierten weiblichen Urgewalt – wollte Courbet vielleicht nur ein weibliches Geschlecht malen? Vielleicht drückt die Analogie der Kaffeebohne, die Verniedlichung zum Böhnchen auch aus, dass die Bilder von Geschlechtlichkeit heutzutage gewöhnlich geworden sind und in gewisser Weise reizlos, reduziert auf ein alltägliches und fuckable Objekt. Indes verweist das Böhnchen ja nicht nur auf die Vagina, sondern auch den Titel „Ursprung der Welt“ – somit gesehen gelangen wir mit einer Adaption der naturalistischen und vielleicht auch reduktionistischen Sichtweise noch nicht an den Kern.
Fassen wir einmal zusammen: Die Arten von Bildlichkeit, die vom Bruch bislang auffächert, sind: Das grafische Bild einer Kaffeebohne, dann eine bildliche Referenz auf Courbets Gemälde, das uns in voller Pracht erst als Erinnerungsbild erscheint und schließlich haben wir es natürlich bei einem Referenzbild auch mit einem reellen Objekt zu tun, das die Frage nach Provenienz und Eigentümerschaft aufwirft. Und ausgerechnet hing Courbets Werk in Jacques Lacans Arbeitszimmer.
Lacan ist Psychoanalytiker und Konstruktivist. Er stellt nicht die Frage nach der Existenz einer übergeordneten Wahrheit, denn Wahrheit manifestiert sich ihm zufolge erst im Sprechen, zuvor ist sie bedeutungslos, weil irrelevant. So ist auch seine Aussage über die Liebe zu verstehen: „Zu lieben ist, zu geben, was Du nicht hast, an jemanden der nicht existiert“
(Jacques Lacan)
Vom Bruchs Pistache zum „Ursprung der Welt“ im Kontext mit Lacan hat nun eine ganz neue und tieferliegende Bedeutung. Sowie auf vom Bruchs Arbeit das Bild Courbets verblasst ist, so verblassen bei Lacan die Liebe und die Leidenschaft zu ihrer eigenen Projektion.
Was einst die Gewalt der Vagina und auch die körperliche Liebe, der Geschlechtsakt, der den „Ursprung der Welt“ beschreibt, ausmacht, wird durch den Kontext mit Lacan gebrochen auf ein Projektionsbild, auf eine nicht mehr allumfassende Urgewalt. Sie wird zum Symbol einer Begierde, die allein beim Begehrenden zu verorten ist. Das Kaffeeböhnchen ist nicht als Analogie zu Courbets Darstellung zu lesen, sondern erst im Blick durch die psychoanalytische Brille Lacans zu verstehen und verweist zurück auf zurück auf „den Ursprung der Welt“ in uns selbst.
Wir halten hier im Text inne – und verweisen auf die weiteren Arbeiten in der Ausstellung, denn im Untergeschoss gibt’s dann noch einige Überraschungen, die auch immer noch ein Rätsel bleiben.
Egal, denn: „Wissen dient nicht dem Verstehen, sondern dem Zerschneiden“
(Michel Foucault)
Hermine Wehr

© Klaus vom Bruch

 

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