Jonah Gebka

Blue Light

20.10.2022 – 26.11.2022

California Dreamin’…
Jonah Gebka integriert in die Malereien seiner Ausstellung Blue Light malerische Reproduktionen ikonischer Landschaftsdarstellungen der Gegenwart: Die vorinstallierten Wallpaper des Apple-Betriebssystems macOS. Seit 2013 benennt das US-amerikanische Unternehmen neue Upgrades ihres Betriebssystems nach kalifornischen Orten und gibt diesen durch eine Fotografie derselben als Wallpaper ein Gesicht. So fanden sieben Fotografien kalifornischer Naturwahrzeichen den Weg auf die Desktops von knapp hundert Millionen macOS-NutzerInnen weltweit. Gebka nutzt deren Wiedererkennungswert und die dadurch entstandene Vertrautheit: Die Fotografien, ohne AutorInnenschaft, haben sich gleichsam ikonischer Darstellungen vergangener Epochen unvermeidlich in die gegenwärtige Sehgewohnheit vieler in Zeiten des digitalen Arbeitens und Lebens verankert. Das eindrücklichste Beispiel dieser beiläufigen Ikonisierung ist Charles O’Rears Fotografie Bliss. Microsoft nutzte sie ab 2000 als Desktophintergrund für das Windows XP Betriebssystem. Der grüne Hügel unter strahlend blauem kalifornischem Himmel gilt heute als das meistgesehene Foto der Welt. Durch das malerische Zitieren der Landschaften Apples, verankert Gebka Blue Light fest in der digitalen Bildwelt der Gegenwart, doch durch das Einbetten dieser Landschaften in alltägliche, fast banale Szenen, hebelt er deren Pathos aus. Gebka hält in der Serie spezifische Momente fest: Die scheinbar unüberwindbare Schlaflosigkeit, das endlose Streamen einer Serie kurz bevor die Augen zufallen oder die unerfüllten Aufgaben, die einem tief in der Nacht wieder einfallen. Die nächtlichen Szenen erinnern an eine ganz bestimmte Form der Unruhe, die es vermag, einen müden Geist trotz körperlicher Erschöpfung wachzuhalten. Blue Light meint das blaue Licht von Bildschirmen und Displays, welches zu eben dieser Schlaflosigkeit und dem damit einhergehenden Unwohlsein beitragen kann. Durch eine Reizerweiterung von Zellen wird dem menschlichen Gehirn suggeriert, es sei Tag. Spezielle Bildschirmbrillen, Cremes mit Blaulichtfilter oder Night Screens versuchen diese Gefahr, die Blue Screen Hazard, abzuwehren. Der Melancholie von Gebkas Bilderserie könnten selbst diese Gegenmaßnahmen nichts anhaben, denn die konstruierten Szenen evozieren ein eindringliches, schwermütiges Gefühl. Durch malerische Ebenen der Schärfe und Unschärfe, entwirft Gebka intime Szenen im Privaten. Sie erinnern in ihrer Konstruiertheit an Film oder Fiktion und sind gleichzeitig in ihrer Unmittelbarkeit und Zufälligkeit ganz nah an der Realität von vielen. Gebka malt herangezoomte Ausschnitte auf großformatige Leinwände. Die nächtlichen Szenen sind wie durch eine Lupe vergrößert und wirken gegenläufig zur theatralen Weite der Apple-Landschaften. Wir wissen nicht, was im Raum, den Gebka abbildet, sonst noch passiert, denn der Bildschirmrand begrenzt auch die erzählte Geschichte. Das, was vor dem Bildschirm stattfindet – anonyme Hinterköpfe und Profile von Gesichtern, angewinkelte Ellbögen in karierten Hemden und deutende Hände – wirkt flach, fast wie silhouettenhafte Scherenschnitte. Die Landschaften sind malerisch, erinnern an weiche Aquarelle. Im Gegensatz dazu sind die darauf abgebildeten Icons fast schon realistisch. Diese anklickbaren Symbole sind der crispe Moment, sie sind der Zugang zur Weite der seltsam vertraut erscheinenden Landschaft. Etwa zeitgleich mit der Eröffnung von Blue Light, wird das neue macOS-Upgrade Ventura gelauncht werden, voraussichtlich mit einer abstrakten Grafik als Hintergrund der Default-Einstellung. Nur der Name des Upgrades bleibt eine Reminiszenz an die kalifornische Landschaft.
Text von Jana Kreutzer

Untitled 2022, Gesso and Acrylic on canvas, 100 x 120 cm , Photo: Verena Hägler