Cosy Pièro / Philipp Gufler

Love Planet

23.06.2023 – 28.07.2023

Auf welchem Planet l(i)eben wir? Hat Liebe eine Zeitlichkeit, gar Unendlichkeit? Wer liebt wen oder was? Um dergleichen Fragen von Liebe im weiten Sinn kreisen die Kunstwerke der Ausstellung Love Planets von Philipp Gufler und Cosy Pièro in der Galerie Francoise Heitsch.
In Philipp Guflers Die Wirrwelt der Urninge von 2023 vereinen sich in leuchtenden Farben vor idyllischer Bergkulisse unbekleidete Körper in Tanz und Begehren. Die Dargestellten in diesem Paradies– die Urninge – verdanken ihren Namen dem Planeten Uranus und einer mythologischen Referenz: Bereits seit der Antike symbolisiert der altgriechische Gott Uranus gleichgeschlechtliche Liebe.¹ Entstand doch ohne Zutun einer Frau aus dem Meeresschaum seiner herabgefallenen Körperteile die Liebesgöttin Aphrodite. Davon ausgehend prägte Karl Heinrich Ulrichs (1825−1895) den Begriff Urning, noch bevor Worte wie schwul oder homosexuell die Sprache in zunächst meist negativer Konnotation dominierten. Ganz anders Urning, wie sich Ulrich als Pionier der queeren Emanzipationsbewegung 1867 in dem wohl ersten Outing moderner Geschichte auch selbst bezeichnete. Ähnlich dieser stolzen Benennung, verleiht Gufler einigen Figuren im Bild selbstbewusst sein eigenes Antlitz. Formal und motivisch beziehen sich die Siebdrucke auf Papier auf das wandfüllende Rundbild Die Klarwelt der Seligen, das Elisàr von Kupffer (1872−1960) im Kontext der von ihm gegründeten religiösen Bewegung des Klarismus 1925/37 malte. Für Philipp Gufler steht das Panorama für eine paradiesische, non-binäre Imagination von Liebe abseits von Differenzkategorien.²
Darin liegt eine bewusste Hommage an eine Queer Futurity³ im Wirken bestimmter Personen vergangener Generationen, die neben Ulrichs und von Kupffer vor allem auch an die zweite Künstlerin dieser Ausstellung gerichtet ist: Cosy Pièro. Ihre künstlerischen Arbeiten sinnieren weniger über utopische Zukunftsszenarien, als dass sie buchstäblich im Leben stehen: Etwa Lederschuhe, auf denen in Klebeschrift GEHEN LASSEN geschrieben ist (2014). In skulpturalen Gesten mit reduziertem Text wie Potenzial verhandelt Piéro grundlegende Parameter im menschlichen Sein: Energie, Tod, Liebe. Alles hat Potenzial und alle haben Potenzial, dennoch bleiben dazwischen Widersprüche. Es sind abstrakt-poetische Kommentare über die Unzulänglichkeiten der Gegenwart: Die politische Rationalisierung des Zusammenseins, das Verharren auf Geschlechter-Binarität, das heteronormative Verständnis von Liebe. So ist auf einem tiefblauen Siebdruck passenderweise gezeichnet: Ich liebe nur die Illusion (2012).
Für diese Gegenwart engagierte sich die bildende Künstlerin alles andere als illusorisch. Mit der Bar „Bei Cosy“ schuf sie von 1962 bis 1980 einen der wenigen Orte für die queere Community Münchens dieser Jahre. An diesem Ort ebenso wie in ihrer Kunst stand die Begegnung von Mensch zu Mensch unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht und Sexualität im Zentrum: Eine Haltung, die gerade in Zeiten identitärer Abgrenzungen imponiert. Davon angezogen, realisierte Philipp Gufler 2015 und 2017 gemeinsam mit Publik Universal Frxnd ein Re-Enactment der Bar Bei Cosy in Amsterdam und München. Beide sind füreinander wie Wahlverwandtschaften, die sich auf der Suche nach queeren Bezugspunkten in der Vergangenheit und Gegenwart begegnet sind. Seit knapp 10 Jahren sind sie freundschaftlich verbunden, haben mehrmals in der Vergangenheit zusammengearbeitet und stellen hier nun erstmals in einer Duoausstellung aus.
In diesem intersektionalen Queering finden die heterogenen Oeuvres von Cosy Pièro und Philipp Gufler zusammen. So wie Pièros Arbeiten sich in den siebbedruckten Spiegeln von Gufler in der Ausstellung reflektieren, spiegelte ihr Schaffen auf Gufler als mehrere Generationen jüngeren Künstler zurück. Anlässlich der in Kollaboration mit Ruine München herausgegeben Publikation Cosy bei Cosy (2023),⁴ widmete er ihr eine Performance samt Kostüm, das in der Ausstellung zu sehen ist. Auf dem Gewand sind unter anderem Fotografien von Pièros Potenzial-Werkreihe bedruckt. In dieser buchstäblichen Zugewandtheit über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg, bildet sich der Zukunftsmoment der Ausstellung heraus: Queer Futurity überwindet hier den utopischen Modus. Es ist kein Ersehnen einer queeren, nicht greifbaren Zukunftsrealität, sondern verwirklicht sich durch L(i)ebe in Form einer transgenerationalen Solidarität und Reflexion zweier Künstler*innen. (Mareike Schwarz)
¹ https://schwulengeschichte.ch/epochen/2-weg-zur-selbstbestimmung/vorkaempfer-und-opfer/karl-heinrich-ulrichs/urning/.
² Philipp Gufler, Zine zur Ausstellung Substitutes im W139/Amsterdam, 2023, S. 8.
³ José Esteban Muñoz, Cruising Utopia: The Then and There of Queer Futurity, NYU Press, 2009.
⁴ Dank gilt den Mitgliedern von Ruine München: Leo Heinik, Jan Erbelding und Maria VMier.
Abbildung: The artists Cosy Pièro and Philipp Gufler

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